Der WohnKompass Gemeinde
Von Leonard Fister, Christian Kraft, Valentina Maras und Daniel Steffen
Einleitung
Die Planung eines bedarfsgerechten Wohnraumangebots stellt viele Gemeinden vor komplexe Aufgaben. Damit sie fundierte Entscheidungen treffen können, stellt das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) mit der überarbeiteten Version «Preisgünstiger Wohnraum – Ein Baukasten für Städte und Gemeinden» (Link) zehn praxisnahe Instrumente zur Verfügung. Als Basis hierfür dienen Strukturinformationen zur lokalen Bevölkerung. Dazu hat die Hochschule Luzern im Auftrag des BWO den WohnKompass Gemeinde (Link) als Erweiterung des Nachfragemonitor Mietwohnungen entwickelt. Es ist ein öffentlich zugängliches, datenbasiertes Werkzeug, das kommunale Akteure in der Analyse ihrer Wohnraumsituation unterstützt.
Herausforderungen und Handlungsbedarf in der kommunalen Wohnraumpolitik
Die Wohnraumplanung wird für Gemeinden zunehmend anspruchsvoller. Demografische Veränderungen, steigende Mobilität, kleinere Haushalte, regionale Besonderheiten wie etwa in touristischen Bergregionen, sowie auch eine allgemein zunehmende soziale und wirtschaftliche Diversität führen zu vielfältigen und dynamischen Wohnbedürfnissen. Gleichzeitig sind verfügbare Flächen knapp und die Kosten für Land sowie die Erstellung von Wohnraum nehmen weiter zu. Gemeinden müssen daher immer häufiger strategische Entscheidungen treffen, wie sie bezahlbaren und zugleich bedarfsgerechten Wohnraum für die Bevölkerung fördern können.
Um Gemeinden bei diesen Aufgaben zu unterstützen, hat das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) den Leitfaden «Preisgünstiger Wohnraum – Ein Baukasten für Städte und Gemeinden» (Link) aus dem Jahr 2013 grundlegend überarbeitet und neu aufgelegt. Darin werden zehn praxisnahe Instrumente gebündelt, mit denen lokale Akteure preisgünstigen Wohnraum gezielt fördern und umsetzen können. Der Baukasten bietet damit einen strategischen Orientierungsrahmen für kommunale Wohnpolitik und bildet die Grundlage für vertiefende analytische Werkzeuge.
Eine vorausschauende Planung erfordert detaillierte Kenntnisse über die lokale Bevölkerung, insbesondere hinsichtlich Altersstruktur, Haushaltsgrössen, Haushaltstypen und der finanziellen Tragbarkeit von Mieten in bestehenden oder geplanten Wohnungen. Nur auf dieser Grundlage lassen sich realistische Einschätzungen zu Wohnraumbedarf und (bezahlbaren) Preisniveaus treffen.
In der Beschaffung und Aufbereitung solcher Daten stehen viele Gemeinden vor technischen und organisatorischen Hürden. Es gilt, Datenquellen zu identifizieren, Informationen korrekt zu beziehen bzw. zu harmonisieren und in eine einheitliche Struktur zu überführen. Auch die Aufbereitung und Visualisierung erfordern Sorgfalt, damit Ergebnisse klar interpretierbar und verständlich dargestellt sowie kommuniziert werden können. Besonders Vergleiche mit anderen Gemeinden oder Regionen setzen eine sorgfältige Abstimmung der Datengrundlagen voraus, was häufig mit erheblichem Zeit- und Kommunikationsaufwand mit anderen Stellen verbunden ist.
Um diesen Prozess zu erleichtern, hat die Hochschule Luzern im Auftrag des BWO den «WohnKompass Gemeinde» (Link) entwickelt. Als Erweiterung des Nachfragemonitor Mietwohnungen stellt der WohnKompass Gemeinde Strukturinformationen zur lokalen Bevölkerung zur Verfügung. Dies auf Ebene von Gemeinden, Stadtquartieren, Arbeitsmarktregionen sowie der gesamten Schweiz. Der WohnKompass bietet somit eine anwenderfreundliche und einheitliche Datengrundlage, um die Anforderungen an zukünftigen Wohnraum mit den Bedürfnissen sowohl innerhalb einer Gemeinde als auch im Vergleich mit Nachbargemeinden oder im grösseren Kontext zu bestimmen.
Vom Nachfragemonitor zum WohnKompass Gemeinde
Der WohnKompass Gemeinde basiert methodisch auf dem Nachfragemonitor Mietwohnungen, und nutzt somit Vollerhebungen der Schweizer Bevölkerung als Datengrundlage. Dadurch können die Altersstruktur, Haushaltsgrössen und -typen jeder Gemeinde präzise und vollständig abgebildet werden. Ergänzend fliessen Daten aus einer Vollerhebung der Einkommen ein, wodurch die finanziellen Möglichkeiten der Haushalte mit bislang unerreichter Genauigkeit und Vollständigkeit dargestellt werden können. Weitere Details zur Datengrundlage sind auf der Webseite des Nachfragemonitors verfügbar.
Der WohnKompass Gemeinde fokussiert ausschliesslich auf die Nachfrageseite des Wohnungsmarkts, also auf den bestehenden Haushalten und deren wirtschaftlicher Tragfähigkeit in Bezug auf Wohnkosten. Angebotsdaten wie Mietpreise aktuell verfügbarer Wohnungen oder die Zahl der ausgeschriebenen Objekte sind nicht enthalten.
Was der WohnKompass über Struktur, Nutzung und Leistbarkeit verrät
Der WohnKompass Gemeinde stellt relevante Informationen in Form einheitlich definierter und wissenschaftlich fundierter Indikatoren zu Wohnraumbedarf, Nutzung und Leistbarkeit dar.
- Altersverteilung: Zeigt die Zusammensetzung der Bevölkerung nach Altersgruppen und ermöglicht Gemeinden, ihre Wohnraumplanung auf die aktuelle und zukünftige Altersstruktur auszurichten. So lässt sich erkennen, ob der Schwerpunkt eher bei jüngeren oder älteren Bevölkerungsgruppen liegt und wie sich dies auf den künftigen Bedarf an Wohnformen auswirken könnte.
- Haushaltsgrössen: Ermöglicht die Planung geeigneter Wohnungsgrössen. Während die durchschnittliche Haushaltsgrösse in der Schweiz insgesamt abnimmt, bestehen regional grosse Unterschiede. Mit diesem Indikator lassen sich die lokale Situation abbilden, Besonderheiten erkennen und planerisch berücksichtigen.
- Haushaltstypen: Beschreibt die Zusammensetzung der Haushalte und erlaubt Rückschlüsse auf unterschiedliche Wohnbedürfnisse dieser Nachfragesegmente. Die Kategorisierung erfolgt datengestützt nach den häufigsten 13 Haushaltstypen, wobei gesondert nach Haushaltsgrössen und Altersstruktur der Haushalte differenziert wird (z.B. Einpersonenhaushalt mit einer Pension im Seniorenalter). So lassen sich Anteile aktueller Haushaltstypen detailliert bestimmen und die zukünftige Zusammensetzung prognostizieren.
- Belegungsstatus: Vergleicht die Haushaltsstruktur mit dem bewohnten Wohnobjekt hinsichtlich der verfügbaren Zimmer pro Person. Dadurch lässt sich für verschiedene Haushaltsgrössen analysieren, ob Wohnungen "normal" belegt sind (Zimmeranzahl Wohn- und Schlafzimmer ist im Intervall der Anzahl Personen im Haushalt +/- 1) oder eine Tendenz hin zu Unter- oder Überbelegung besteht. Dies kann Potenziale für eine effizientere Nutzung des Bestands aufzeigen, etwa durch die gezielte Förderung von Umzügen bei Haushalten, die an einer Veränderung interessiert sind.
- Leistbarkeit: Erlaubt eine zielgruppenspezifische Analyse, wie viele Haushalte sich eine bestimmte (geplante) Miete leisten können. Die hypothetische Miete kann konfiguriert werden, so dass Szenarioanalysen in der Planung möglich sind. Etwa zur Frage, welcher Anteil der Einpersonenhaushalte im Seniorenalter eine geplante Miete in einem Projekt für altersgerechtes Wohnen tragen könnte. Als Beispiel sind in Abb. 1 die Leistbarkeitskurven verschiedener Haushaltsgrössen in der Stadt Zürich gegeben.
Mietbelastung: Basierend auf der Strukturerhebung (verfügbar für rund 5 % der Haushalte pro Jahr) werden aktuelle und historische Mietbelastungen analysiert. Unterschieden wird zwischen neu abgeschlossenen Verträgen (bestehende Mietverträge mit bisheriger Laufdauer von weniger als 3 Jahren) und langjährigen Mietverhältnissen (Vertragslaufzeit > 3 Jahre). Diese Differenzierung erlaubt Rückschlüsse auf Mietpreisdynamiken und hilft, Anzeichen steigender Angebotsmieten frühzeitig zu erkennen.

Fazit: Daten nutzen, Wohnraum gestalten
Der WohnKompass Gemeinde (Link) steht öffentlich und kostenlos zur Verfügung und dient als datenbasiertes Instrument zur Beurteilung der lokalen Wohnraumsituation. Er bietet einheitlich definierte Indikatoren und eine intuitive Darstellung, die Auskunft über die lokale Bevölkerungsstruktur gibt. Zudem werden Vergleiche zwischen Gemeinden, mit Arbeitsmarktregionen und der Schweiz ermöglicht. Damit schafft der WohnKompass Gemeinde Transparenz, erleichtert Analysen und unterstützt evidenzbasierte Entscheidungen in der kommunalen Wohnraumentwicklung.
Weitere Informationen: Falls Sie über weitere Inhalte informiert werden wollen, können Sie gerne den Immobilienblog der Hochschule Luzern besuchen.